Mein Name ist Arcor und ich bin ein 4-jähriger
Hannoveraner-Wallach. Ich wohne in einem ganz tollen und schicken Zuchtstall wo
ich auch geboren bin. Und eigentlich sollte ich im letzen Jahr hier ausziehen,
aber daraus wurde leider nichts. Oder zum Glück? Wer weiß, wo man hinkommt aber
dieses Jahr wird es dann doch soweit sein. Aber ich will Ihnen vom letzten Jahr
erzählen. Ich wurde gerade angeritten und sollte wie meine gleichaltrigen
Kumpels auch, im Herbst auf einer Auktion verkauft werden. Um genau zu sagen –
versteigert werden. Wer das meiste Geld für einen bezahlt, der nimmt einen dann
mit. Und wenn nicht genügend Geld für einen geboten wird, dann kommt man wieder
mit nach Hause.
Ist wohl ziemlich aufregend so eine Auktion, zumindest haben mir
das die Anderen erzählt, die schon dabei waren. Naja, es war alles ganz normal
im letzten Jahr. Wir 3-jährigen wurden jeden Tag trainiert und lernten, wie man
mit einem Menschen auf dem Rücken genauso elegant laufen kann, wie ohne. Das
ist richtig anstrengend, denkt man gar nicht, wenn man die älteren Kumpels so
leichtfüßig und elegant über den Boden schweben sieht. Und andere springen ja
sogar mit einem Menschen auf dem Rücken über richtig hohe Hindernisse. Ich habe
das mal bei uns auf dem Platz gesehen, das hat mich total beeindruckt und ich
habe die älteren Kollegen ehrfürchtig bewundert. Allerdings war ich selber da
noch sehr jung, jetzt gehe ich ganz cool an denen vorbei und lasse sie nicht
mehr spüren, dass ich sie dafür bewundert habe. Corona sagt immer, dass wir das
auch noch alles lernen, wir müssten nur ein bisschen geduldiger sein. Corona
ist eine unserer ältesten Zuchtstuten, für uns junge Wallache so was wie eine
Tante. Manche sagen auch etwas genervt Anstandsdame, wenn sie von ihr mal
wieder einen Anraunzer bekommen, wenn sie sich allzu rüpelhaft benommen haben.
Geduld war auf alle Fälle nicht meine größte Stärke, denn ich
wollte unbedingt ganz schnell auch so hoch springen können wie die älteren
Kollegen. Mein Trainer war jedenfalls immer ganz begeistert von mir weil ich so
schnell lernte und so ehrgeizig war. Tja, ich hätte wahrscheinlich der Star der
letztjährigen Herbstauktion werden können. Wenn ich nicht krank geworden wäre!
Nicht, dass ich zimperlich bin und beim kleinsten Muskelkater oder anderen
Unpässlichkeiten gleich in Watte gepackt werden muss und erstmal eine Woche
Trainingspause brauche. Ganz bestimmt nicht. Aber als mich diese Hufrehe
erwischte, hab ich es doch ganz schön mit der Angst zu tun bekommen! Und es kam
so plötzlich, ich hatte den Tag vorher gerade neue Sachen gelernt und mich
richtig angestrengt, freute mich auf meine volle Krippe und schon beim Fressen
merkte ich, dass mit meinen Füßen irgendetwas anders war als sonst.
Ich konnte es gar nicht richtig deuten und dachte erst, dass ich
mich heute vielleicht doch ein wenig überanstrengt hatte. Verwarf diesen
Gedanken aber sofort wieder, denn Marc, mein Trainer passt da schon immer gut
drauf auf. Einmal hat er sogar von seinem Chef einen Anschiss bekommen, als er
die Zeit vergaß und unsere Trainingseinheit etwas verlängerte, weil ich so gut
drauf war. Ich war damals total nassgeschwitzt aber stolz wie Oskar weil ich so
gute Wendungen hinbekam und das erste Mal über kleinere Hindernisse hüpfen
durfte. Mann hat das Spaß gemacht. Ich wollte immer mehr und Marc ließ mich
laufen, ich glaube, ihm hat es auch Spaß gemacht. Naja, das fand unser Chef
eben nicht so gut und seitdem passen wir auf, dass wir es nicht übertreiben.
Und nun stand ich an diesem Abend im Stall und wunderte mich,
warum meine Füße so schmerzten. Es wurde immer schlimmer und ich fraß nicht
einmal meine Krippe leer, der Appetit war mir glatt vergangen! In dieser Nacht
schlief ich eigentlich gar nicht. Ich wechselte meine Position ständig, da ich
irgendwie meine Füße entlasten musste. Irgendwann hatte ich dann wohl die
typische Hufrehe Stellung eingenommen und als unser Futtermeister am nächsten
Morgen erst mich sah und dann die halbvolle Krippe, war Alarm angesagt!
Alle wurden in Windeseile herbeigerufen und so hatten sich kurze
Zeit später alle wichtigen Menschen (haha) um mich gescharrt. Alle schauten
mich mitleidig und sehr besorgt an, was mir etwas Angst machte. Der Tierarzt
fing sofort an, mir Spritzen zu geben und Pülverchen zusammen zu mixen. Der
Schmied kam auch und machte irgendwas an meinen Füßen, was ich aber alles gar
nicht wirklich mitbekam. Hufrehe - hey ich sag Euch: diese Schmerzen sind echt
höllisch!
Als alle ihr Werk getan hatten und weg waren, bemerkte ich, dass
meine Vorderfüße in dicke Verbände eingepackt waren, das linderte tatsächlich
diesen unerträglichen Druck etwas. Auch das Schmerzmittel zeigte seine Wirkung
und ich fühlte mich am Nachmittag schon wieder etwas besser. Marc schaute
vorbei und ich freute mich, dass er mich zum Training abholen wollte. Doch ich
irrte mich, an Training war noch lange Zeit nicht zu denken. Das wusste ich
aber an diesem Tag noch nicht. Er putzte mich und kraulte meine Ohren.
Wenigstens ein bisschen was angenehmes. So vergingen nun die Tage, die so ganz
anders waren als der durchgetaktete Stundenplan den ich bisher kannte.
Langeweile und Schmerzen waren meine ständigen Begleiter, denn
so gut und schnell das Schmerzmittel noch am ersten Tag wirkte, umso weniger
Wirkung zeigte es in den folgenden Tagen. Die Dosis wurde erhöht, die
Zusammensetzung verändert – es half immer nur für ein paar Stunden. Blut wurde
mir abgezapft und auch sonst bekam ich viele verschiedene Sachen unters Futter
gemischt. Manches schmeckte bitter, manches süß oder nach gar nichts – dafür
roch es streng. Ich jedenfalls verlor langsam aber sicher den Lebensmut und war
immer müde und schlapp. Marc schaute jeden Tag bei mir vorbei und schaute sehr
besorgt. Zwar hatte er noch andere Pferde zu trainieren aber mich mochte er
halt ganz besonders. Einmal kam sogar seine Freundin mit und besuchte mich. Als
sie aus dem Stall gingen, redete sie die ganze Zeit aufgeregt auf ihn ein, dann
stiegen sie ins Auto und fuhren. Und dann brachte Marc ein paar Tage später
einen Karton mit in den Stall, den er direkt vor mir auspackte und dann unseren
Futtermeister zu sich rief.
Marc öffnete die Tütchen und Fläschchen, eins nach dem anderen,
die er alle aus dem Paket holte und füllte von allem etwas in meinen
Futtereimer. Auch ein großer Sack war dabei: Nehls Pferdefutter. Ich
bemerkte einen ganz neuen Geruch, der mir in die Nase wehte und fragte mich, ob
die Menschen nun schon gut riechende Medikamente erfunden haben. Marc erklärte
unserem Futtermeister alles ganz genau, dann wurde meine Krippe mit den neuen
Sachen gefüllt.
Ich steckte meine Nase in dieses neue und ungewohnte
Pferdefutter und schnüffelte erstmal ganz intensiv. Gar nicht schlecht, richtig
frische und duftende Kräuter für Pferde waren das und dazu ein paar kleine runde
weiße Kügelchen (inzwischen weiß ich, dass das die Homöopathie für Pferde ist).
Ich fraß ein wenig und mümmelte den Rest des Tages weiter, bis meine Krippe
leer war.
So ging das nun jeden Tag, aber ich hatte keine große Hoffnung,
dass sich an meiner Lage so schnell etwas verändern würde. Doch irgendwas war
nach einigen Tagen doch anders. Unmerklich erst, dann auch für die Menschen
spürbar. Meine Lebensgeister kehrten zurück und das allerschönste: Die
Schmerzen, an die ich mich fast schon gewöhnt hatte, ließen ein klein wenig nach.
Es ging von Tag zu Tag bergauf. Bald konnte ich schon wieder ein paar Schritte
über den Hof laufen. Wie ich mich freute! Und Marc und seine Freundin, die nun
auch regelmäßig nach mir schaute. Ich glaube, ihr habe ich diese ganze
Naturheilkunde bei Pferden zu verdanken, so wie sie mich anschaut!
Ich erholte mich schnell und fresse meine Kräuter für Pferde
übrigens immer noch. Zur Vorbeugung wie Marc sagt. Mittlerweile haben wir sogar
das Training wieder aufgenommen. Klar, muss ich einiges aufholen, damit ich mit
zur Auktion kann, aber daran zweifelt inzwischen niemand mehr. Nur unser Chef
schaut mich manchmal noch immer ungläubig an und schüttelt mit dem Kopf. Daran
hatte er wohl nicht mehr geglaubt. Ha! Dem werde ich es zeigen und ganz
bestimmt werde ich der Star der nächsten Auktion sein!
Liebe Grüße an Frau Nehls und Danke für die leckeren Kräuter bei Hufrehe! Ihr Arcor
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