Samstag, 28. September 2013

Überlegungen zum Ansteigen der Hufrehe


Täglich erreichen mich eine Vielzahl Anrufe von Pferdehaltern, deren Pferde an einem akuten Hufrehe-Schub erkrankt sind. Ich möchte in diesem ersten Teil über Hufrehe einige meiner Erfahrungswerte zusammenfassen:


Das Bild hat sich in letzter Zeit stark verschoben: früher waren besonders gefährliche Zeiten Frühjahr und Herbst, Frühjahr bezüglich des Weideauftriebs, Herbst bezüglich einer nochmals ansteigenden Vegetation, da das Gras durch Feuchtigkeit und Sonneneinstrahlung wieder gehaltvoller, als im trockenen Sommer, wurde. Heute kann ich keine Unterschiede mehr feststellen, mich erreichen ebenso viele verzweifelte Anrufe im Frühjahr, wie im Sommer, Herbst und auch im Winter. Diese kritischen Zeiten scheinen sich mittlerweile auf das gesamte Jahr verlagert zu haben.
Es erkranken nicht mehr überwiegend zu dicke Ponys, welche auf fetter Weide gehalten werden bzw. die Hafertonne geplündert haben. Es erkranken ebenso viele Pferde in normalem Futterzustand, wie in zu gutem Futterzustand oder auch nicht selten magere, zu dünne Tiere.
Es gibt ebenso wenig bestimmte Rassen und Altersgruppen, die meine Patienten ausmachen. Es erkranken Pferde aller Rassen und Altersgruppen, bis auf Fohlen und Pferde bis zum 3. Lebensjahr. Pferde und Ponys, welche vor dem 3. Lebensjahr erkranken, stellen eine absolute Ausnahme dar; ab dem dritten Lebensjahr ist jedoch jede Altersstufe in gleichen Anteilen ebenso wie jede Rasse vertreten. Aus meiner Erfahrung kann ich nicht mehr sagen, dass es besonders viele Extensivrassen, wie Haflinger, Tinker, Isländer, Norweger und Shettys sind, es sind ebenso viele Voll- und Warmblüter und einige Kaltblüter betroffen. Einige Kaltblüter vor dem Hintergrund, dass es insgesamt weniger Kalt- als Voll- und Warmblüter sowie extensive Pony- und Kleinpferderassen gibt.
Interessant ist auch, dass sehr viele Pferde erkranken, welche überhaupt keinen Weidegang genießen sowie auch keinerlei Gras zu fressen bekommen. Besonders interessant zudem, auch Pferde, die ausschließlich mit Heu und Stroh gefüttert werden ohne jegliche Kraftfutterzugabe bzw. Mineralfutterzugabe erkranken. Es erkranken jedoch auch Pferde, die 24-Stunden Weidegang haben, stundenweise auf der Weide stehen, ebenso wie Pferde, die 24-Stunden Stallhaltung bzw. nächtliche Stallhaltung und tagsüber Paddockhaltung erleben.
Fakt ist, es erkranken Pferde aller Rassen und Altersgruppen bei unterschiedlichster Fütterung und Haltung. Über die Fütterung lässt sich keine grundsätzliche Ursache für eine Hufrehe Erkrankung bzw. einen akuten Hufrehe-Schub ausmachen, bedenkt man, dass sämtliche Fütterungs- und Haltungsformen vertreten sind und die Anteile der verschiedenen Gruppen relativ gleich hoch sind.
Zu meinen Patienten zählen weder besonders viele Pferde, die barfuss gehen, noch besonders viele, die beschlagen sind, diese halten sich ungefähr die Waage.
Auffallend ist jedoch, dass im Vorfeld der Erkrankung oft eine Hufkorrektur stattfand. Hieraus könnte man den Schluss ziehen, dass eine lokale Bearbeitung in Bezug auf eine Hufrehe-Erkrankung eine größere Rolle spielt. Jedoch kann man die Bedeutung nicht vorzugsweise in mangelnder Hufbearbeitung und Korrektur ansiedeln, sondern in zu massiver, d. h. in einem zu großen Eingriff in die natürlichen Hufmechanismen. Obwohl mangelnde Hufpflege ebenso gut ein ausschlaggebender Grund sein kann.
Interessant ist auch, dass sämtliche Hufrehe Arten, gleich, ob es sich um eine Belastungsrehe, Futterrehe, Geburtsrehe, Vergiftungsrehe oder eine in sich verschiebende Reheart handelt, im Grunde gleich therapiert werden. Es gibt zwar Schwerpunkte, die man ggf. setzen kann bei der Therapie der unterschiedlichen Rehearten, im Grunde verlaufen alle erfolgreichen Therapiekonzepte jedoch fast identisch.

Welche Schlüsse könnte man aus oben Gesagtem ziehen?

Weder Fruktane und andere Zuckerarten, noch ein Stärke-, Protein-, Energie- oder anderer Nährstoffüberschuss, noch Mangelerscheinungen können eine allein ausschlaggebende Ursache haben, vorausgesetzt, es werden keine überdimensionalen Massen zugeführt. Dies bestätigt grundsätzlich auch, dass einige Pferde bei gleicher Fütterung, Haltung und Bewegung erkranken, andere nicht, obwohl gleicher Rasse, gleichen Alters und ähnlichen Futterzustandes.
Die Gründe, warum ein Pferd erkrankt, bleiben – zumindest oberflächlich gesehen - im Verborgenem..

Etwas tiefgründig spekuliert könnte es jedoch so sein:

Die Hufrehe-Erkrankung kann durch Toxine entstehen, die durch eine durchlässige Darmschleimhaut in die Blutbahn gelangen und somit den Organismus mit Giftstoffen überschwemmen. Toxine wiederum bilden sich bei Pferden durch zu viel Protein, zu viel Stärke, verschiedene Zuckerarten in hoher Konzentration (Fruktane beispielsweise), aber auch durch Aufnahme von Giftpflanzen, Pestiziden und äußerlich zugeführten Toxinen, wozu beispielsweise auch Medikamente in Überdosierung und Giftpflanzen gehören können.
Sind grundsätzliche Faktoren der Fütterung ggf. eher der immer höhere Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden in der Landwirtschaft? Ist unsere Umweltbelastung, welche stetig steigt, auch ein grundsätzlicher Faktor?
Sind immer häufiger verwendete unnatürliche Füll- und Konservierungsstoffe, Beimengungen der für Pferde nicht in ihrem natürlichen Lebensraum vorkommenden Nährstoffe ein Faktor? Ist an der ganzen Entwicklung nicht zum großen Teil der Verbraucher, der Pferdehalter mit Schuld, weil alles immer günstiger, immer billiger werden soll? Wenn niemand mehr bereit ist, für Qualität auch einen entsprechenden Preis zu zahlen, wenn Landwirte gezwungen werden, nach Masse und nicht Klasse zu produzieren, sich Produkte nur noch über den Preis verkaufen, welche Qualität können wir dann erwarten? Sind wir nicht alle schuld an dieser Entwicklung, die natürlich bei den Pferden nicht halt macht, bei unseren eigenen Lebensmitteln sieht es nicht anders aus.
Vielleicht sollte auch hier ein Umdenken, ein anderes Bewusstsein stattfinden? Natürlich müssen wir alle rechnen, doch Priorität hat sicher, was wir wofür ausgeben; manchmal sollten wir vielleicht lieber etwas weniger kaufen, dafür aber auf die Qualität achten.. Warum gibt es heute so viele „Fleischskandale“? Liegt es nicht zuletzt an der Preispolitik? Wer zahlt schon freiwillig mehr für Qualität, wenn es ein minderwertiges Produkt günstiger gibt? Welche Pflanze, welches Getreide, welches „Nutztier“ kann heute noch natürlich heranwachsen? Es wird gespritzt, gedüngt und gemästet, alles muss schnell gehen und schnell geht`s naturgemäß nur mit „künstlicher“ Unterstützung; die Natur kennt unsere Preispolitik nicht! 

Wäre eine Minderung der Hufrehe-Fälle ggf. auch durch ein „Zurück zur Natur“, die konsequente Meidung des Einsatzes von Pestiziden, Düngemitteln und sonstige Eingriffe in die Natur möglich?

Lässt man die letzten 30 Jahre Revue passieren, so könnte man meinen, dass die Ursache nicht zuletzt auch hier zu finden ist, zumindest ein Mitverursacher.
Auch nehmen allergische Erkrankungen immer mehr zu, deren Zunahme ebenfalls hier zu finden sein könnte. Können diese Toxinansammlungen (wodurch sie auch immer entstanden sind) nun nicht ausgeschieden werden, beispielsweise über den Kot (Durchfall, Kotwasser), über die Haut (Sommerekzem, allergische Hauterkrankungen, Photosensibilität u. a.) oder über die Schleimhäute (Husten, Bronchitis, Augenentzündungen, Nasenkatarrh u. a.), wird die Darmschleimhaut immer durchlässiger und die Toxine gelangen in die Blutbahn und führen letztlich über einen kurzen (Toxinüberflutung in kurzer Zeitabfolge) bzw. über einen längeren (vorerst im Verborgenen stattfindenden Zeitraum) zur Hufrehe. Je nach Ausmaß dieser Toxinüberflutung des Organismus/Blutes zu leichter bis massiver Hufrehe. Gefördert scheint diese Entwicklung durch eine nicht korrekte Hufbearbeitung, meist zu viel Abtragung von Horn, ebenso gut jedoch durch zu heißes Brennen oder Vernagelungen und durch zu wenig Bewegung (= Anregung der Durchblutung und des Stoffwechsels) zu werden. 



Bei der Vergiftungs- und Geburtsrehe liegen die Ursachen in der direkten Toxinbelastung bzw. Aufnahme, fügen sich demnach in das o. g. Gesamtbild ein.
Die Überlegung, warum Pferde und Ponys nur bei Heufütterung ebenfalls immer wieder erkranken, könnte in einer stetigen Aufnahme von Toxinen durch eben dieses in zwar geringer, jedoch irgendwann „Fass überlaufender“ Menge liegen.
Insgesamt kann eine Ursache bzw. ein mitauslösender Faktor auch in einem gestörten Mineralstoffhaushalt liegen, da der Darmraum zur Aufrechterhaltung der Symbiose und eines im Gleichgewicht liegenden Säure-Basen-Haushalts Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente in gut verfügbarer Form, jedoch auch nicht im Überfluss, benötigt.
Letztlich wissen wir durch einige – meiner Meinung nach völlig unsinnige – Versuchsreihen bei Ponys und Pferden zwar einige Auslöser, jedoch werden wir wissenschaftlich einem Grund, der immer und bei jedem Pferd in gleicher Form ursächlich vorliegt – nicht auf die Spur kommen. So gab es zwar eine gewisse Menge Stärke, die bei jedem Pferd/Pony eine Hufrehe auslöst, jedoch wird diese Menge im „wahren Leben“ wohl nur in Ausnahmefällen aufgenommen. Das Gleiche gilt für Fruktane, Proteine und anderes.
 

Bei der überwiegenden Anzahl der Hufrehe-Erkrankungen kommen mehrere auslösende Faktoren zusammen. So ist eine Disposition durch verschiedene Störungen bereits im Vorfeld gegeben, diese bleibt jedoch unentdeckt, bis der Auslöser kommt, und mag es ein noch so geringer sein, der sprichwörtlich „das Fass zum Überlaufen“ bringt! Selten gibt es das auslösende Moment, sprich die Ursächlichkeit, die innerhalb von wenigen Sekunden, Minuten oder Stunden auftritt, dies sind beispielsweise Giftpflanzen oder aufgenommene Giftstoffe in hoher Konzentration im Futter, können jedoch auch Medikamente (so ist Cortison als Auslöser bekannt)  darstellen, sowie die sprichwörtlich geplünderte Hafertonne.
Eine Rolle scheinen auch Allergien zu spielen. Zu meinen Patienten gehören auffallend viele Pferde, die weiterhin an einer allergischen chronischen Atemwegserkrankung oder auch am Sommerekzem erkrankt sind, und dies im Vorfeld, meist seit etlichen Jahren. Sieht man in diesem Zusammenhang das oben Ausgeführte, könnte es sich auch so verhalten, dass eine Ausscheidung von Toxinen mit zunehmender Zeitabfolge nicht mehr über Haut und Schleimhäute gelingt und aus diesem Zusammenhang heraus dann eine Hufrehe entsteht. Die Krankheitsbilder Hufrehe in Verbindung mit chronischem Kotwasser/Durchfall sieht man im Gegensatz dazu so gut wie nie, jedenfalls ist mir kein Fall in Erinnerung. Hier wiederum könnte man den Schluss ziehen, dass die Entgiftung über den Kot infolge auftretenden Durchfalls/Kotwassers die Effektivste ist und somit keine Folgeerkrankungen wie Hufrehe auftreten. Im Gegenzug bedingt ein chronischer Durchfall leider auch wiederum arge Verluste des Mineralstoff-, Spurenelements- und Vitaminhaushalts sowie natürlich der Elektrolyte. Ggf. kann aber durch die vermehrte Zuführung dieser ein Mangel in gewissem Rahmen vermieden werden; was von Fall zu Fall variieren wird. 

 
Bei allen Anhaltspunkten, die wir über die Hufrehe-Erkrankung haben, spielt die individuelle Konstitution eine große Rolle. So wird bei guter Konstitution eine Menge mehr toleriert, als bei mangelhaftem Gesundheitszustand, wie zum Beispiel Vorschädigungen des Darmtraktes, welche unbemerkt bleiben und sich nicht infolge von Kotwasser/Durchfall bemerkbar machen. 

Dieser Artikel ist bereits einige Jahre alt. Inzwischen habe ich dazu gelernt, was nicht heißt, dass dieser Artikel nicht auch "meiner" ist. Heute sehe ich die Ursachen der Hufrehe Erkrankung jedoch überwiegend in der lokalen Hufsituation. Meinen Blickwinkel heute (2015..) findet Ihr hier: 
Hufrehebehandlung

1 Kommentar:

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.